Wettbewerber als Kooperationspartner?

77. Führungsgespräch | Dezember 2019

Überlebensstrategien in der digitalen Welt

Digitalisierungsstrategien standen in den letzten Jahren häufiger im Mittelpunkt von Führungsgesprächen. Gezielt erfolgte zum 77. Führungsgespräch eine Auseinandersetzung mit horizontalen Kooperationsstrategien, die im globalen Wettbewerb der digitalen Plattformen gerade für die durch Mittelständler geprägte deutsche Wirtschaft besonders relevant zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit werden. Die Beantwortung folgender Schlüsselfragen stand im Mittelpunkt und wurde aus politischer, rechtlicher und unternehmensbezogener Perspektive reflektiert:

 

  • Welche Veränderungen sind in der globalen Wettbewerbsarena durch das Wachstum digitaler Plattformanbieter aus den USA und China zu erwarten?
  • Müssen die kartellrechtlichen und politischen Rahmenbedingungen in Deutschland und auf EU-Ebene angesichts der massiv veränderten globalen Wettbewerbsstrukturen angepasst werden?
  • Wann und wie sind Kooperationen mit Wettbewerbern zielführend und welche Erfolgsfaktoren zeichnen horizontale Kooperationen aus?
  • Welche Anpassungen der wettbewerbsrechtlichen und politischen Rahmenbedingungen sind in Deutschland zu fordern, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der mittelständisch geprägten Wirtschaft zu fördern?
  • Welche Veränderungsprozesse muss die Unternehmensführung im Bereich von „Strategy, Structure und Culture“ einleiten?

 

Wissenschaft und Unternehmenspraxis sind sich einig, dass Kooperationen – auch mit Wettbewerbern – eine zielführende Strategie sein können, um Digitalriesen wie Amazon und Co. nicht nur die Stirn zu bieten, sondern aktiv neue Marktfelder zu erobern. Während des 77. Führungsgesprächs konnten einige Erfolgsfaktoren für das Gelingen von Kooperationen wie die offene Kommunikation über Erwartungen und Ziele sowie die klare Allokation von erwirtschafteten Werten identifiziert werden. Es bedarf aber auch und vor allem Führungspersönlichkeiten, die entsprechende Ideen konsequent umsetzen sowie den Aufbau der notwendigen digitalen Infrastruktur in Deutschland und Europa.

„Tektonische Verschiebung“ im globa-len Wettbewerb
– Die Auswirkungen von Digitali-sierung und Plattformökonomie

Zum Kamingespräch reflektierte Sigmar Gabriel im Dialog mit Dr. Michael Inacker, deutscher Journalist, Publizist und Vorstandsvorsitzender der WMP Eurocom, die sich abzeichnenden Veränderungen der globalen Wettbewerbsarena und die hieraus entstehenden Hausforderungen für die deutsche und europäische Wirtschaft. In der Gesprächsrunde wurde zur Industrie 4.0 und Datensicherheit als Chance Deutschlands sowie auf die drohende Hybridisierung der Weltwirtschaft Bezug genommen.

Sigmar Gabriel, Bundesaussenminister a.D.
Sigmar Gabriel, Bundesaussenminister a.D.

„Digitalisierung ist weit mehr als die Technologie. Sie verändert die gesamte Gesellschaft und unsere Kultur. Deutschlands eigentliche Chance dabei ist nicht, ein zweites Google zu schaffen. Wir sind die „Industrialisierer“ der Welt. Die Frage, ob wir es schaffen, das was wir „Industrie 4.0“ nennen erfolgreich zu implementieren wird gleichzeitig die entscheidende Frage sein, ob wir als Staat noch Erfolg haben.“

– Sigmar Gabriel –

Plattformstrategien
– Eine wissenschaftliche Einführung

Um eine wissenschaftliche Basis für die Diskussion von Kooperations- und Plattformstrategien zu schaffen, beschäftigte sich Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg einleitend zum Führungsgespräch mit den besonderen Merkmalen von digitalen Plattformen und den darauf basierenden Geschäftsmodellen. Im Unterschied zum klassischen linearen Pipeline Geschäftsmodell werden sowohl bei analogen als auch bei digitalen Plattformen Anbieter direkt mit Kunden in Verbindung gebracht. Die Plattform agiert als Vermittler und der Zugang zu jenen Plattformen steht prinzipiell allen Interessenten autonom offen. Da Plattformen durch direkte und indirekte Netzwerkeffekte wachsen, skalieren sie exponentiell, was dieses Geschäftsmodell so interessant macht.

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg, HHL Leipzig
Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg, HHL Leipzig

„Plattform-Geschäftsmodelle sind nicht neu. Deutschland ist beispielsweise führend im Bereich der Weltleitmessen – und Messen haben ein klassisches Plattform-Geschäftsmodell. […] Neu bei digitalen Plattformen ist nun aber, dass direkte und indirekte Netzwerkeffekte zu noch schnellerem Wachstum führen, da keine Investments in physische Infrastrukturen mehr nötig sind.“

– Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg –

Wettbewerber als Kooperationspartner – Eine kartellrechtliche Reflexion

Zur Diskussion von Kooperationsmöglichkeiten unter Wettbewerbern wurde die kartellrechtliche Situation von Dr. Angelika Westerwelle, Mitglied der Monopolkommission, beleuchtet. In diesem Panel wurde zum einen auf den historischen Konflikt zwischen Wettbewerb und Kooperation eingegangen und zum anderen wurde auf Wettbewerb und Kooperation in der Digitalökonomie eingegangen.

Dr. Angelika Westerwelle, Mitglied der Monopolkommission
Dr. Angelika Westerwelle, Mitglied der Monopolkommission

„Im Grunde bin ich überzeugt, dass unsere bisherige Wettbewerbsordnung ausreicht, um den neuen Herausforderungen der Digitalökonomie zu begegnen. Wettbewerber können als Kooperationspartner sehr hilfreich sein, um im Neuland Fuß zu fassen – nicht nur zu überleben!“

– Dr. Angelika Westerwelle –

Horizontale Kooperation:
Ist Coopetition im „Ökosystem Deutschland“ überhaupt möglich?

Nicht nur kartellrechtliche Rahmenbedingungen gilt es für Kooperationen in der Plattformökonomie zu bedenken. Im Rahmen einer Diskussionsrunde wurden weitere relevante Rahmenaspekte definiert. In dieser Gesprächsrunde kam unter anderem Prof. Dr. Thorsten Posselt, Leiter des Fraunhofer Zentrums für internationales Management und Wissensökonomie zu Wort. Des Weiteren diskutierten Dr. Tobias Walther-Merkwitz und Prof. Dr. Manfred Bruhn darüber, wie Kundenprobleme gemeinsam gelöst, statt Produkte weiterentwickelt werden können.

Erfolgsmodelle für Kooperations-strategien:
Insights aus der Unternehmenspraxis

Nach der Reflexion externer Rahmenbedingungen wurden weiterführend Erfolgsfaktoren verschiedener Kooperations-strategien diskutiert. Hierzu wurden verschiedene Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis einbezogen. Zu Beginn berichtete Dr. Jürgen Meffert, Partner bei McKinsey, kurz über seine aggregierten Erfahrungen aus der Unternehmensberatung.

Gegenstand dieses Panels waren Erfolgsfaktoren für Competition-Ecosystems sowie der „Case Tolino“ d. h. der Zusammenschluss von Thalia und dem deutschen Buchhandel zu einer starken Allianz die Big Playern wie Amazon begegnen kann. Hierzu gab Michael Busch, CEO und Anteilseigner der Thalia Bücher GmbH einen interessanten Einblick:

Michael Busch, CEO und Anteilseigner der Thalia Bücher GmbH
Michael Busch, CEO und Anteilseigner der Thalia Bücher GmbH

„Ich bin zu meinen Wettbewerbern gefahren und habe gesagt: Hört zu, ihr passt nicht mehr in unser Beuteschema. Aber wir haben einen gemeinsamen Feind. Geben wir unser Geld gemeinsam aus und produzieren eine bessere Lösung!“

– Michael Busch –

 

Des Weiteren wurde in diesem Panel ebenso der digitale Weg der Axel Springer SE diskutiert. Hierzu bezog Jan Bayer, Vorstand News Media International Axel Springer SE, Stellung. Jörg Rheinboldt berichtete über den APX Accelerator und wie eine gemeinsame Investition in die digitale Zukunft gelingt. Josef Brunner schloß das Panel mit einem Beitrag zu „IoT mit Erfolgsgarantie“ und gab Einblicke darüber wie das Unternehmen relayr den deutschen Mittelstand transformiert.

Agenda

In 5 Gesprächsrunden diskutierten Mitglieder aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Aus der Politik konnte die Wissenschaftliche Gesellschaft zu diesem Führungsgespräch Herrn Sigmar Gabriel, ehemaliger Vizekanzler der Bundesregierung sowie Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, in seiner Mitte begrüßen.  

 

Dokumente zu dem Führungsgespräch finden Sie hier:

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